Unterschiede im Pflegeberuf zwischen der Schweiz und Deutschland: Ein Vergleich
Die Pflegeberufe in der Schweiz und Deutschland haben trotz ihrer gemeinsamen Wurzeln im Gesundheitswesen signifikante Unterschiede, die sich auf Ausbildung, Arbeitsbedingungen, Karrierechancen und gesellschaftliche Anerkennung auswirken. Dieser Artikel untersucht diese Unterschiede genauer und zeigt, wie sie sich auf die Praxis der Pflege auswirken. Dabei beleuchten wir sowohl die Herausforderungen als auch die Vorteile für Pflegekräfte in beiden Ländern.
Ausbildung: Verschiedene Ansätze, unterschiedliche Schwerpunkte
In Deutschland wurde im Jahr 2020 das Pflegeberufegesetz eingeführt, das die früher getrennten Ausbildungswege für Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zu einer generalistischen Pflegeausbildung zusammenführt. Dies bedeutet, dass die Auszubildenden in verschiedenen Bereichen der Pflege ausgebildet werden und nach ihrer Ausbildung sowohl in Krankenhäusern, Altenpflegeeinrichtungen als auch in der Kinderpflege arbeiten können. Diese Ausbildung dauert in der Regel drei Jahre und kombiniert schulischen Unterricht mit praktischen Einsätzen in Pflegeeinrichtungen.
Im Vergleich dazu ist die Pflegeausbildung in der Schweiz deutlich spezialisierter. In der Schweiz erfolgt die Ausbildung zur Pflegefachperson entweder an einer Höheren Fachschule (HF) oder an einer Fachhochschule (FH). Der Abschluss auf Fachhochschulniveau entspricht dabei einem Bachelor-Abschluss. Je nach gewähltem Weg spezialisieren sich die Pflegekräfte in der Schweiz früher, beispielsweise auf stationäre oder ambulante Pflege oder auf psychiatrische Pflege. Auch ist die Praxisnähe in der Ausbildung stärker ausgeprägt als in Deutschland
Ein weiterer Unterschied besteht in der Anerkennung ausländischer Pflegekräfte. Während die Anerkennung der deutschen Ausbildung in der Schweiz in der Regel problemlos erfolgt, müssen Pflegekräfte, die in die Schweiz wechseln, einen Anerkennungsprozess durchlaufen, der beim Schweizerischen Roten Kreuz (SRK) beantragt werden muss.
Arbeitsbedingungen: Ein spürbarer Unterschied in der Belastung
Ein oft diskutiertes Thema im Vergleich zwischen der Pflege in der Schweiz und Deutschland sind die Arbeitsbedingungen. In Deutschland ist die Pflege seit Jahren von einem strukturellen Personalmangel betroffen. Pflegekräfte sind oft für viele Patienten gleichzeitig verantwortlich, was zu einer hohen Arbeitsbelastung führt. Laut der Hans-Böckler-Stiftung betreut eine deutsche Pflegekraft im Durchschnitt 13 Patienten pro Schicht. Dieser Personalmangel führt zu Überstunden und hoher emotionaler Belastung
In der Schweiz hingegen ist die Arbeitsbelastung tendenziell geringer. Hier betreut eine Pflegekraft durchschnittlich acht Patienten pro Schicht, was die Qualität der Pflege und die Arbeitszufriedenheit erheblich steigert. Dies zeigt sich auch in der allgemeinen Zufriedenheit der Pflegekräfte in der Schweiz. Die Arbeitszeiten sind in der Regel geregelter, und Pausen können häufiger eingehalten werden
Allerdings hat auch die Schweiz mit Personalmangel zu kämpfen, insbesondere in ländlichen Gebieten und in spezialisierten Pflegebereichen wie der Intensivpflege. Dies könnte die Arbeitsbedingungen in Zukunft verschlechtern, wenn nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Gehalt und finanzielle Anerkennung
Ein wesentlicher Unterschied zwischen der Pflege in der Schweiz und Deutschland liegt im Gehalt. Während Pflegekräfte in Deutschland im Schnitt etwa 3.000 Euro brutto im Monat verdienen, ist das Gehalt in der Schweiz deutlich höher. In der Schweiz beträgt das durchschnittliche Einkommen einer diplomierten Pflegefachperson etwa 6.000 Schweizer Franken pro Monat, was umgerechnet rund 5.500 Euro entspricht
Das höhere Gehalt in der Schweiz wird oft als einer der Hauptgründe angeführt, warum deutsche Pflegekräfte in die Schweiz abwandern. Allerdings sollte berücksichtigt werden, dass die Lebenshaltungskosten in der Schweiz ebenfalls höher sind. Vor allem in Städten wie Zürich oder Genf ist das Wohnen deutlich teurer als in den meisten deutschen Städten.
Gesellschaftliche Anerkennung und berufliche Perspektiven
Die Pflegeberufe haben in beiden Ländern während der COVID-19-Pandemie an Anerkennung gewonnen, doch in der gesellschaftlichen Wahrnehmung gibt es nach wie vor Unterschiede. In Deutschland fühlen sich viele Pflegekräfte trotz ihrer systemrelevanten Rolle weiterhin unterbezahlt und unterbewertet. Trotz politischer Bemühungen um Verbesserungen der Arbeitsbedingungen ist die Unzufriedenheit in der Pflege in Deutschland weiterhin hoch
In der Schweiz hingegen genießt der Pflegeberuf ein höheres Ansehen. Pflegekräfte sind hier oft stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden und haben mehr Autonomie in der Patientenversorgung. Dies zeigt sich auch in den flacheren Hierarchien in Schweizer Gesundheitseinrichtungen. Pflegekräfte haben zudem bessere Aufstiegschancen und können durch Fachweiterbildungen und akademische Qualifikationen (z.B. an Fachhochschulen) in Führungspositionen aufsteigen
Karrierechancen und Weiterbildung
Die Karrierechancen in der Pflege unterscheiden sich zwischen Deutschland und der Schweiz erheblich. In Deutschland ist der Pflegeberuf traditionell stark praxisorientiert, und erst in den letzten Jahren wurden akademische Laufbahnen stärker gefördert. Pflegekräfte können sich beispielsweise zur Fachkraft für Intensivpflege oder zur Praxisanleitung weiterbilden. Akademische Pflegestudiengänge, die zu einem Bachelor- oder Masterabschluss führen, sind hingegen erst seit kurzem etabliert
In der Schweiz haben Pflegekräfte von Anfang an die Möglichkeit, sich akademisch weiterzubilden. Die Pflegeausbildung auf Fachhochschulniveau ist stark verbreitet, und es gibt klare Karrierepfade für Pflegekräfte, die in Forschung, Lehre oder Führungspositionen aufsteigen möchten. Diese akademischen Laufbahnen sind ein wichtiger Teil des Schweizer Pflegesystems und bieten den Pflegekräften vielfältige berufliche Perspektiven
Herausforderungen in beiden Ländern
Trotz der besseren Arbeitsbedingungen in der Schweiz gibt es auch hier Herausforderungen. Ein großes Problem ist der Personalmangel, der durch die Überalterung der Bevölkerung und die steigende Nachfrage nach Pflegeleistungen noch verstärkt wird. Gleichzeitig erreichen viele Pflegekräfte in den nächsten Jahren das Rentenalter, was den Mangel an Fachkräften weiter verschärfen wird
In Deutschland besteht die Herausforderung darin, den Beruf attraktiver zu gestalten, um den Personalmangel zu bekämpfen. Dazu gehören bessere Arbeitsbedingungen, eine angemessenere Bezahlung und eine höhere gesellschaftliche Anerkennung. Die Generalisierung der Pflegeausbildung könnte dabei helfen, den Pflegeberuf in Deutschland flexibler und vielseitiger zu gestalten.
Fazit: Ein Beruf – zwei Welten
Der Vergleich der Pflegeberufe in der Schweiz und Deutschland zeigt, dass es erhebliche Unterschiede gibt. Die Schweiz bietet Pflegekräften in der Regel bessere Gehälter, geregeltere Arbeitszeiten und mehr Karrieremöglichkeiten. In Deutschland hingegen kämpft die Pflege mit strukturellen Problemen wie Personalmangel und geringer gesellschaftlicher Anerkennung. Pflegekräfte, die in beiden Ländern arbeiten möchten, sollten sich über die jeweiligen Anforderungen und Möglichkeiten informieren, um die für sie beste Entscheidung zu treffen.
Dieser Artikel zeigt, dass die Zukunft der Pflege in beiden Ländern von großen Herausforderungen geprägt ist. Während die Schweiz ein Beispiel für gute Arbeitsbedingungen und finanzielle Anerkennung sein kann, muss Deutschland Wege finden, um die Attraktivität des Pflegeberufs zu steigern.
Quellenverzeichnis:
Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK)
„Gehälter in der Pflege“, Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe, 2024.
https://www.dbfk.de/de/themen/gehalt.php
Schweizerisches Rotes Kreuz (SRK)
„Pflegeausbildungen in der Schweiz“, Schweizerisches Rotes Kreuz, 2024.
https://www.redcross.ch/de/ausbildung/pflege
Bundesamt für Statistik (BFS)
„Löhne und Arbeitsbedingungen in der Pflege“, Bundesamt für Statistik, 2023.
https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/gesundheit/berufe.html
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